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Wahlrecht für Kinder und Jugendliche

Seit vielen Jahren wird über das Wahlrecht für Kinder und Jugendliche diskutiert. Dabei wurden und werden ver­schie­den­ste Varianten vorgeschlagen und erörtert. Absenkung des Wahlalters, Wahlrecht ohne Altersgrenze, Stell­ver­tre­ter­wahl­recht oder Familienwahlrecht sind nur einige der Schlagwörter, die in der politischen Diskussion zu die­sem The­ma immer wieder zu hören sind. Allen Vorschlägen gemeinsam ist die Annahme, dass der Ausschluss von Kin­dern und Ju­gend­li­chen von der Wahl eine ausreichende Berücksichtigung ihrer Interessen und Ideen in der Politik ver­hin­dert.

Partizipationsrechte stehen Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrem Alter zu. So hat die UN-­Kin­der­rechts­kon­ven­tion in Artikel 12 Absatz 1 folgendes festgelegt: „Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine ei­ge­ne Mei­nung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden An­ge­le­gen­hei­ten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend sei­nem Al­ter und sei­ner Rei­fe.“

Die Wahlaltersgrenze muss auf allen Ebenen zunächst auf 16 Jahre und in einem zweiten Schritt auf 14 Jahre abgesenkt werden.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellt in seinem Bericht an die Kommission der Eu­ro­pä­ischen Un­ion zur Partizipation von Jugendlichen im Jahre 2005 fest: „Die klarste Form der politischen Par­ti­zi­pa­tion ist die Teilnahme an Wahlen.“ Schließlich ist das Wahlrecht eine der tragenden Säulen unserer De­mo­kra­tie. Das Recht auf freie Wahlen soll sicherstellen, dass die Souveränität des Volkes gewahrt bleibt. Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche.

Weil Demokratie immer nur annähernd bestmöglich verwirklicht ist, unterliegt die Ausgestaltung der Grundrechte auch einem Wandel und der Verpflichtung, ihren Gehalt unter veränderten Bedingungen neu und besser zu bestimmen. Zu diesen veränderten Bedingungen gehört zum Beispiel der heutige, veränderte Altersaufbau unserer Gesellschaft. Seit einigen Jahren gibt es beispielsweise mehr Rentner als Kinder und Jugendliche: rund 16 Millionen über 65-jährige und rund 14 Millionen unter 18-jährige. Mit dieser veränderten Gesellschaftsstruktur sind die Chancen auf In­ter­es­sen­wahr­neh­mung der jungen Bevölkerung gesunken. Beides geht zudem mit einem signifikanten Ein­stel­lungs­wan­del in­ner­halb der jungen Generation einher: Das Bewusstsein der Emanzipation und der Ei­gen­stän­dig­keit die­ser Ge­ne­ra­tion ist mit dem gesellschaftlichen Wertewandel deutlich gestiegen. Und zu guter Letzt ist eine glo­ba­le Ver­än­de­rung der po­li­ti­schen Verantwortungsdimension eingetreten, von der die heranwachsende Ge­ne­ra­tion un­mit­tel­bar betroffen ist.

Um die Interessen von Kindern und Jugendlichen stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubinden, tritt das Deutsche Kinderhilfswerk dafür ein, die Wahlaltersgrenze auf allen Ebenen (also von der Europa- bis zu den Kom­mu­nal­wah­len) zunächst auf 16 Jahre und in einem zweiten Schritt auf 14 Jahre abzusenken. Vorschläge wie das Fa­mi­lien­wahl­recht, wonach Eltern gemäß der Anzahl ihrer Kinder unter 18 Jahren die entsprechende Anzahl von zu­sätz­li­chen Wahl­stim­men zu­ge­wie­sen werden soll oder das Stellvertreterwahlrecht, bei dem Eltern das Stimmrecht ih­rer Kin­der bis zum Erreichen der Wahlaltersgrenze treuhänderisch ausüben, sind abzulehnen. Das Wahlrecht ist weder ver­äu­ßer­lich noch verzichtbar oder abtretbar, es duldet keine Stellvertretung: es ist ein höchstpersönliches Recht.

Jugendstudien belegen schon länger, dass auch Minderjährige gesellschaftliche Prozesse aufmerksam verfolgen und sich gesellschaftlich engagieren. Viele fühlen sich jedoch nicht von den politischen Parteien vertreten. Hier kann ein Wahl­recht für Jugendliche einiges zu einer veränderten Wahrnehmung beitragen. Eine Absenkung des Wahlalters muss aber auch dazu führen, dass sich Schulen sowie die Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe verstärkt die­sem The­men­feld öffnen. So wie Mitwirkungsinitiativen vor allem dort funktionieren, wo es eine Begleitung durch Struk­tu­ren der Kinder- und Jugendhilfe gibt, sollte ein Wahlrecht für Jugendliche zu einer Kultur der De­mo­kra­tie­er­zie­hung füh­ren, durch die die Legitimation unseres demokratischen Systems nachhaltig gestärkt wird. Ei­ne Ab­sen­kung des Wahl­alters muss zur Folge haben, dass Partizipation in der politischen Praxis vor Ort zum al­ters­ge­mäß kon­kret er­leb­baren Bestandteil der politischen Kultur wird. Dazu haben vor allem Familie und Schule, aber auch Wohl­fahrts­ver­bän­de, kirchliche und gewerkschaftliche Gruppen, Freizeiteinrichtungen und die Jugendverbände ent­schei­dend bei­zu­tra­gen.

Stand: 02. Juli 2009

Dieses Positionspapier ist Teil der bundesweiten Kampagne des Deutschen Kinderhilfswerkes zum Thema
Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland.

 

Fachbeiträge zum Positionspapier
Titel:
Absenkung der Wahlaltersgrenze - Ein Schritt zu mehr Demokratie

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