Hintergrundbild Deutsches Kinderhilfswerk

PP-Nummer-27 MEHR TRANSPARENZ IM JUGENDMEDIENSCHUTZ!

Medienkompetenz von Kindern stärken

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert eine grundlegende Anpassung des Kinder- und Jugendmedienschutzes in Deutschland an die aktuellen Herausforderungen, die wir heute vor allem im Internet sehen. Wir begreifen Kinder und Jugendliche als eigenständige und eigenverantwortliche Mediennutzer. Orientierungshilfen bei der Verarbeitung von Inhalten, die im Gegensatz zu den Grundwerten unserer Verfassung und zum gesellschaftlichen Wertekonsens stehen, sollte daher Vorrang vor gesetzlichen Zugangsverboten eingeräumt werden. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor entwicklungsbeeinträchtigenden Medieninhalten durch die entsprechenden Gesetze darf nicht gegen eine Förderung kindlicher Medienkompetenzen ausgespielt werden. Wichtig ist, die ständig wachsende Verfügbarkeit medialer Angebote durch die verschiedenen Verbreitungswege zu berücksichtigten. Dabei kommt im Jugendmedienschutz dem Diskurs über Sinn und die Notwendigkeit gesellschaftlicher Werte und Normen eine hohe Bedeutung zu. Auch wenn diese in demokratischen, pluralistischen Gesellschaften einem stetigen Wandel unterliegen, so bieten die Grundwerte unserer Verfassung für diesen Wandel doch einen stabilen Orientierungsrahmen. Dieser Rahmen muss sowohl von Medienanbietern beachtet werden als auch in der Medienerziehung als Grundlage für die Beurteilung und Einordnung von Inhalten dienen.

Medienkompetenz als präventiver Jugendmedienschutz

Das deutsche Jugendmedienschutzsystem beruht in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem auf den gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen sowie auf den Einrichtungen zu deren Umsetzung. Dazu zählen neben den Selbstkontrolleinrichtungen der Medienwirtschaft (FSK, FSF, FSM, USK) die nach den Jugendschutzgesetzen zuständigen Aufsichtsorgane wie die Obersten Landesjugendbehörden, die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten oder die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Diese Einrichtungen sollen auf Grundlage des Jugendschutzgesetzes und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags der Länder dafür Sorge tragen, dass Kindern und Jugendlichen der Zugang zu entwicklungsbeeinträchtigenden oder entwicklungsgefährdenden Medieninhalten versperrt oder zumindest erschwert wird. Durch Altersklassifizierung oder Indizierung reglementiert sind vor allem Inhalte mit gewalthaltigen, gewaltverherrlichenden, pornografischen oder menschenverachtenden Darstellungen.

Jugendschutz bedeutet aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes allerdings mehr als nur das Bewahren von Kindern vor schädlichen Medieninhalten. Ziel ist der aktive Diskurs. Kinder sollen zum einen an der Diskussion um Medieninhalte und damit zuweilen verbundenen Werteverletzungen beteiligt werden. Zum anderen sollen sie durch Förderung ihrer Medienkompetenz in die Lage versetzt werden, Medien aktiv selbst zu gestalten und damit eigene Ideen, Vorstellungen und Interessen zum Ausdruck bringen zu können. Dies ermöglicht ihnen auch einen kompetenteren Umgang mit potenziellen Gefahren in und durch Medien. Um Chancengleichheit in Bezug auf die Entwicklung einer solchen Medienkompetenz zu gewährleisten, brauchen Kinder neben Medienerziehung in der Familie weitere Angebote zur Förderung von Medienkompetenz. Deswegen fordert das Deutsche Kinderhilfswerk die bundesweite Etablierung und institutionelle Verankerung von Strukturen zur garantierten Vermittlung von Medienkompetenz im Erziehungsprozess. Notwendig ist hierfür einerseits die verbindliche Verankerung von Medienbildung in den Lehrplänen der Schulen, in den frühkindlichen Bildungseinrichtungen und in der Fachkräfteausbildung. Zwar werden im Bereich der Medienpädagogik zahlreiche Projekte angeboten, es fehlt aber oft eine kontinuierliche und stabile Finanzierungsgrundlage. Medienpädagogische Projekte lassen sich nur schwer ohne öffentliche Mittel durchführen, da man sie weder kostenpflichtig machen noch durch Werbung finanzieren will. Zudem fehlt Insgesamt eine Verzahnung der Aktivitäten. Viele Institutionen und Projekte arbeiten nebeneinander her, so dass viele Erfahrungen und theoretische Grundlagen immer wieder neu entwickeln werden müssen. Wir schlagen daher die Gründung einer gemeinsam von Bund und Ländern getragenen Stiftung Medienkompetenz vor, an der auch die Landesmedienanstalten, freie Träger und die Medienwirtschaft beteiligt werden könnten. Ihre Aufgabe sollte in der finanziellen Unterstützung medienpädagogischer Projekte und in der Vernetzung bestehender Ideen und Erfahrungen bestehen. Gleichzeitig könnten durch eine solche Stiftung die Evaluierung und die Begleitforschung von Projekten koordiniert werden.

Jugendmedienschutz für Eltern und Kinder transparent und nachvollziehbar machen

Auch beim gesetzlichen Jugendmedienschutz sieht das Deutsche Kinderhilfswerk Handlungsbedarf. Strukturen, Instrumente und Kriterien des gesetzlichen Jugendmedienschutzes in Deutschland orientieren sich heute an den klassischen Medien wie Kino, DVD oder Fernsehen, deren Verbreitung zumindest theoretisch regulierbar ist. Aufgrund der zunehmenden Medienkonvergenz, die zur Verfügbarkeit derselben Inhalte in allen Verbreitungswegen führt, wird die Trennung von Zuständigkeiten im gesetzlichen Jugendmedienschutz nach Verbreitungswegen der heutigen Realität des Medienmarktes und der Mediennutzung von Kindern nicht mehr gerecht. Darüber hinaus verstehen viele Kinder und Erwachsene das aktuelle Jugendmedienschutzsystem aufgrund seiner Komplexität nur begrenzt. Die Vielzahl an Institutionen der Aufsicht und der Selbstkontrollen dient aktuell eher der Verwirrung des Nutzers als seiner Orientierung. Es ist aber eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Jugendmedienschutz, dass er von allen Beteiligten, also vor allem den Anbietern und den Nutzern, verstanden und akzeptiert wird.

Zur Schaffung von Transparenz im Jugendmedienschutz plädiert das Deutsche Kinderhilfswerk daher für eine enge Zusammenarbeit und Harmonisierung der verschiedenen Selbstkontrolleinrichtungen unterschiedlicher Medienanbieter in Deutschland. Dies betrifft sowohl die Diskussion über Kriterien als auch das gemeinsame Auftreten in der Öffentlichkeit. Zudem sollte ein Beurteilungssystem für Medieninhalte entwickelt werden, das Kinder wie Erwachsene intuitiv erkennen und verstehen können und das medienübergreifend einheitlich Anwendung findet. Beurteilungskriterien für Altersfreigaben müssen transparent und nachvollziehbar sein. Gleichzeitig müssen sie vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über Medienerfahrungen von Kindern und Jugendlichen ständig weiterentwickelt werden. Nur so wird es Eltern und Kindern möglich, Anhaltspunkte für die Auswahl von Medieninhalten zu akzeptieren und im Alltag zu nutzen. Und schließlich ist es auf dem Weg zu mehr Transparenz im Jugendmedienschutz langfristig sinnvoll, die Zusammenarbeit von Bund und Ländern zu verbessern. Auch wenn aufgrund der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes der Bund für Trägermedien (Kino, DVD, Computerspiele) und die Länder für elektronisch verbreitete Inhalte (Fernsehen, Internet) zuständig sind, sollten bei einer Regulierung Inhalte und nicht mehr die Verbreitungswege im Vordergrund stehen. Im Zuge der Reform des Jugendschutzrechts 2003 haben Bund und Länder einen wichtigen Schritt zur Angleichung der Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes (Bund) und der Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (Länder) getan. Dieser Weg sollte konsequent weiter gegangen werden und möglichst in einem gemeinsamen Gesetz enden.

Kennzeichnungssystem für einen zeitgemäßen Jugendmedienschutz im Internet

Zu guter Letzt steht der Jugendmedienschutz mit dem Internet heute vor einer ganz neuen Herausforderung. Das massenhafte Onlineangebot, zunehmend erweitert durch nutzergenerierte Inhalte, verbreitet sich in internationalen Netzwerken. Diese entziehen sich der nationalen Gesetzgebung und verhindern oder erschweren bisherige Formen der Zugangsbeschränkung durch Jugendschutzgesetze. Altersfreigaben nutzen im Internet wenig. Daher gilt es, Jugendschutz pragmatisch an den aktuellen Stand der Technik und Produktions- bzw. Rezeptionszusammenhänge anzupassen, ohne die Bedürfnisse von Nutzern, Eltern und Kindern aus dem Blick zu verlieren. Einerseits muss die Verantwortung der Inhalteanbieter gestärkt werden, andererseits bedarf es standardisierter Zugangsregelungen von Nutzern zu altersbeschränkten Inhalten. Eine sinnvolle Option für einen am Wohl der Kinder und Jugendlichen orientierten Jugendmedienschutz im Internet liegt in der Einführung einer intuitiv verständlichen Kennzeichnung von Internetseiten. Diese sollte sich nicht nur in einer Altersempfehlung erschöpfen, sondern auch Aufschluss über Gründe für diese Empfehlung bieten (Gewalthaltigkeit, sexuelle Darstellungen, menschenverachtende Sprache etc.). Es sollte Eltern und den jungen Internetnutzern möglich sein, sofort zu erkennen, ob ein Inhalt ihrem Alter aus Jugendschutzperspektive angemessenen ist. So ermöglichen wir Kindern und Jugendlichen die Entwicklung einer Urteilsfähigkeit, welche Inhalte ihren individuellen Bedürfnissen und Kompetenzen entsprechen. Empfehlungen sollten durch Seitenanbieter selbst vorzunehmen sowie durch nutzerautonome Jugendschutzprogramme auslesbar sein. Damit hätten Erziehungsberechtigte die Wahl, ob sie Kindern bestimmte Inhalte im Internet zugänglich machen oder nicht.

Stand: Februar 2013

Dieses Positionspapier ist Teil der bundesweiten Kampagne des Deutschen Kinderhilfswerkes
zum Thema Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland.

 

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