Hintergrundbild Deutsches Kinderhilfswerk

PP-Nummer-24 KINDERARMUT UND ERNÄHRUNG!

Recht auf Gesundheit und angemessenen Lebensstandard

Eine gesunde Ernährung und Bewegung sind die wesentlichen Grundlagen für ein gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Dabei ist das Ernährungsverhalten ein zentraler Bestandteil eines gesunden Lebensstils. Dieser wird wesentlich im Kindesalter erlernt und gebildet. Die hier erworbenen Ernährungsmuster behalten Kinder und Jugendliche oft ein Leben lang. Art. 27 der UN-Kinderrechtskonvention unterstreicht: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandards an.“ Die in der Konvention vorgenommene Verknüpfung von Gesundheit und Lebensstandard ist sinnfällig. Besonders wichtig ist es, Kinder und Jugendliche aus schwächeren Bildungsschichten zu unterstützen. Seit Beginn der 1990er Jahre steigt die Anzahl der von Armut betroffenen Heranwachsenden, nach Berechnungen des Deutschen Kinderhilfswerkes heute auf rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche.

Eine gesunde Ernährung und Bewegung sind die wesentlichen Grundlagen für ein gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Dabei ist das Ernährungsverhalten, das wesentlich im Kindesalter erlernt und gebildet wird, ein zentraler Bestandteil eines gesunden Lebensstils.

Arbeitslosengeld (ALG) II reicht jedoch kaum aus, um Kinder und Jugendliche ausgewogen zu ernähren. Nach einer Studie der Universität Bonn sind im Schnitt täglich rund 7,40 Euro aufzuwenden, um den Appetit eines Teenagers mit ausgewogener Kost aus dem Supermarkt zu stillen. Werden die entsprechenden Lebensmittel im Discounter eingekauft, werden immerhin noch 4,70 Euro benötigt. Von der jüngsten Anpassung des Hartz-IV-Regelsatzes bleibt jedoch gerade diese Altersgruppe ausgeschlossen. Nach wie vor stehen den Sechs- bis 17-jährigen nur rund 2,60 Euro für das tägliche Essen zur Verfügung.

In vielen Kindertageseinrichtungen gibt es eine Essensversorgung, allerdings haben nicht alle Familien einen Kita-Platz bzw. können sich die Gebühren leisten. Die Schulspeisung wird von finanziell belasteten Familien oft nicht in Anspruch genommen, da der bundesweite Durchschnittspreis von aktuell 2,60 € von diesen Familien schwer aufgebracht werden kann. Die Bezuschussung für sozial Schwache ist in den Ländern unterschiedlich geregelt, nicht in allen Fällen steht ein Sozialfonds zur Verfügung, über den ein Teil der Kosten gedeckt werden könnte. Es fehlt jedoch nicht nur an einer Mittagsversorgung. Die Heinrich-Böll-Stiftung hat dargelegt, dass mindestens 25 Prozent aller Kinder und Jugendlichen vor der Schule nicht frühstücken und auch kein Pausenbrot in die Schule mitbringen.

Es verwundert daher nicht, dass die neuesten Untersuchungen, wie zum Beispiel die KiGGS-Studie, Bella-Studie, Shell-Studie oder die HBSC-Studie eine Korrelation zwischen Kinderarmut und Gesundheitsgefährdung, sprich erhöhten Erkrankungsraten, bestätigen. Ein auffälliges Essverhalten geht in sozial belasteten Familien zudem mit einem ungünstigen Bewegungsverhalten einher. Ein Grund hierfür ist der Mangel an adäquaten Spiel- und Bewegungsgelegenheiten in sozialen Brennpunkten. So lässt sich schon bei Kindern ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Übergewicht und sozialem Status feststellen. Bei Jungen zwischen elf und 17 Jahren waren 12 Prozent der oberen sozialen Schicht übergewichtig, aber 22 Prozent der unteren Schicht. Bei den Mädchen war der Unterschied noch gravierender: Jedes vierte der unteren Schicht, aber „nur“ jedes zehnte der Oberschicht war zu dick (KIGGS-Studie). Neben dem Übergewicht kommt es zu einer qualitativen Mangelernährung, die eine Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen mit sich bringt. Das führt in vielen Fällen zu einer verzögerten körperlichen und geistigen Entwicklung, die irreparabel sein kann.

Eine wesentliche Rolle spielt auch der soziale Rahmen der Ernährung, beispielsweise regelmäßige und gemeinschaftliche Mahlzeiten. Hier ist festzustellen, dass diese soziale Funktion der Mahlzeit zunehmend verloren geht. An ihre Stelle tritt heute eine Beliebigkeit, die durch häufiges Zwischendurch- und Außer-Haus-Essen sowie den hohen Verzehr von Fertigprodukten gekennzeichnet ist. Gerade in sozial benachteiligten Milieus fehlt es an Essensritualen, die soziales Miteinander und bewusste Ernährung vermitteln. Dabei fehlt Kindern das Know-how für die Zubereitung einfacher und doch gesunder Gerichte.

Insgesamt lässt sich seit Jahren ein fataler Trend bei diesen Kindern beobachten. In vielen Familien reicht das Geld nur bis zum 20. des Monats, so wird häufig an gesundem Essen gespart. Kinder bekommen dann oft tagsüber gar keine warme Mahlzeit. Mit Sorgen und einem Hungergefühl im Bauch sinkt ihre Leistungsfähigkeit im Unterricht dramatisch.

Um dieser unerträglichen Situation entgegenzuwirken, hat das Deutsche Kinderhilfswerk den Ernährungsfonds ins Leben gerufen. Wichtig ist es auch, diese Bevölkerungsgruppe über die Möglichkeiten einer preiswerten und gleichzeitig ausgewogenen Ernährung zu informieren. Ernährungsangebote in Schulen oder Kitas, welche die Eltern einbeziehen, sind daher zu verstärken. Über eine kostenfreie Schulverpflegung kann positiv Einfluss auf die Ernährung von Kindern und Jugendlichen genommen werden. Ferner ist vor allem Kindern aus sozial schwächeren Familien schon in den ersten Lebensjahren eine Unterbringung in der Kindertagesstätte unentgeltlich anzubieten.

Stand: September 2010

Dieses Positionspapier ist Teil der bundesweiten Kampagne des Deutschen Kinderhilfswerkes
zum Thema Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland.

 

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