Hintergrundbild Deutsches Kinderhilfswerk

PP-Nummer-07 NIEMANDEN AUSGRENZEN!

Recht auf Bildung für alle Kinder

Bildung ist ein grundsätzliches Kinder- und Menschenrecht. Dies formuliert auch die UN-Kinderrechtskonvention. In Artikel 28 (1) heißt es: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die Verwirklichung dieses Rechts auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen, werden sie insbesondere ... a) den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen ...“ Eine Ausgrenzung von Flüchtlingskindern aus der Schulpflicht ist also auch ein eindeutiger Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention.

Jedes Kind hat ein Recht auf Bildungschancen – ganz gleich wo es lebt und mit welchem Aufenthaltsstatus.

Jedes Kind hat ein Recht auf Bildungschancen – ganz gleich wo es lebt und mit welchem Aufenthaltsstatus. Denn Bildung ist ein Schlüsselelement für die Zukunftsperspektive von Menschen und Gesellschaften. Dies ist am besten durch eine umfassende Schulpfl icht sichergestellt. Schulen, Sprachlerneinrichtungen und Kindertagesstätten müssen für die Kinder aber auch tatsächlich erreichbar sein. Durch eine Unterbringung in Einrichtungen, die weit entfernt von Kindertagesstätten und Schulen sind und über keine ausreichende Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr verfügen, werden die Bildungschancen für Kinder oftmals wieder zunichte gemacht. Flüchtlingskinder und Kinder ohne Aufenthaltsstatus brauchen darüber hinaus besondere Fördermaßnahmen und Unterstützung bei der Integration in das deutsche Schulsystem. Diskriminierungen im Schulbetrieb und die Wohnsituation in Gemeinschaftsunterkünften (räumliche Enge, Lärmbelästigung, Isolation) verhindern dies jedoch vielfach.

Ein Kind, das jahrelang nicht zur Schule gehen kann, wird nicht wieder aufzuholende Bildungslücken haben, die ihm im weiteren Lebenslauf viele Chancen verbauen. Auch wenn diese Kinder nicht in Deutschland bleiben, sondern in ihr Heimatland zurückgehen oder anderswo auf der Welt leben werden – Bildung und Ausbildung nehmen sie überall mit hin. Für Flüchtlingskinder hat Schule neben der formalen Bildung noch eine andere wichtige Funktion. Die alltägliche Routine kann ihnen nach oft traumatischen Erlebnissen im Heimatland und auf der Flucht ein Stück Normalität vermitteln. Die Belastungen, denen sie und ihre Familien ausgesetzt sind – eine fremde Sprache, Angst vor ständig drohender Abschiebung, Sorge um in Kriegsgebieten zurückgebliebene Familienmitglieder – können durch eine gute Schule, die sie als Persönlichkeit annimmt, wenigstens ein Stück weit abgefedert werden. Die Kinder können in der Schule andere soziale Erfahrungen machen als in den Flüchtlingsunterkünften, sie können Stabilisierung, Orientierung und Integration erfahren.

Sicher ist die Frage der Schulpflicht nur ein Aspekt der Frage der sinnvollen Beschulung von Flüchtlingskindern – allerdings ein zentraler: Wenn Schulpflicht für Flüchtlingskinder existiert und von diesen auch tatsächlich wahrgenommen werden kann, sind die Kultusministerien eher angehalten, sich auch über das Wie der Beschulung Gedanken zu machen – über Sprachförderunterricht, über Lehrerfortbildung, über die Vorbereitung von Quereinsteigern, über pädagogische Konzepte für diese Kinder.

Um den Schulbesuch für alle Kinder und Jugendlichen, also auch für Flüchtlingskinder und Kinder ohne Aufenthaltsstatus verbindlich und einheitlich zu regeln, sollte ein Passus in den Bundesländern Gesetzeskraft erlangen, nach dem Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus der Schulpflicht unterliegen.

Eine besondere Situation ergibt sich für die Kinder illegaler Flüchtlinge in Deutschland. Hier steht das aktuelle Ausländerrecht im Widerspruch zu Artikel 28 (1) UN-Kinderrechtskonvention. So sind öffentliche Stellen wie Jugendämter und Schulen, aber auch Mitarbeiter in Kindertagesstätten, die in öffentlicher Trägerschaft sind sowie in bestimmten Fällen Mitarbeiter kirchlicher oder nichtkirchlicher Organisationen dazu verpflichtet, Ausländerbehörden über illegale Ausländer zu informieren. Eine Ausnahmeregelung für Schul- oder Kindertagesstättenpersonal existiert nicht. Es ist aus humanitären Gründen erforderlich, dass öffentliche Stellen, insbesondere Schulen und Kindertagesstätten, von dieser Meldepflicht entbunden werden, zumal die Meldepflicht häufig dem originären Auftrag und Selbstverständnis dieser Einrichtungen widerspricht. Nur so kann die UN-Kinderrechtskonvention in ihren Bestimmungen zur Bildung und zum Grundsatz des Vorrangs des Kindeswohls nach Artikel 3 wirkungsvoll für alle Kinder greifen.

Stand: 28. April 2010

Dieses Positionspapier ist Teil der bundesweiten Kampagne des Deutschen Kinderhilfswerkes zum Thema
Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland.

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