Hintergrundbild Deutsches Kinderhilfswerk

PP-Nummer-06 TEILHABE SCHAFFEN!

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund

Der 12. Kinder- und Jugendbericht stellt zutreffend fest, dass die mit der Migration verbundenen besonderen Bedingungen sich sowohl auf die innerfamiliären Beziehungen als auch auf die Sozialisationsbedingungen der Kinder belastend auswirken können. Möglichkeiten zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe sowie für Aneignungs- und Lernprozesse differieren nach sozialer und ethnischer Herkunft, nach Geschlecht und Region.

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund haben das Recht, an der Gestaltung der Gesellschaft gleichberechtigt teilzunehmen.

Herauszuheben ist in diesem Kontext der enge Zusammenhang zwischenökonomisch benachteiligten Lebenslagen von Familien und dem Bildungsniveau der Eltern. Der Bericht weist auch darauf hin, dass Vorschulkinder ohne deutschen Pass überproportional von Einkommensarmut betroffen sind: „Die Armutsquote ist nach den Ergebnissen der Studie des Institutes für Sozialarbeit und Sozialpädagogik zur Armut im Vorschulalter bei ihnen mit über 40% mehr als doppelt so hoch wie bei den deutschen Kindern.“ Erschwerend kommt hinzu, dass viele (insbesondere türkische) Migrantenfamilien schlechtere Wohnbedingungen als Deutsche haben. Für die Kinder bedeutet dies, geringe Rückzugsmöglichkeiten und schlechte Lernbedingungen zu haben. Unter besonders beengten und belastenden Verhältnissen wohnen Asylbewerber,Flüchtlinge und Spätaussiedler in Übergangsheimen, Billigpensionen und Notunterkünften.

Im Bereich der schulischen Bildung muss festgestellt werden, dass in kaum einem anderen der 17 untersuchten Industriestaaten Migrantenkinder so schlechte Bildungschancen wie in Deutschland haben. Das geht aus der neuesten PISA-Studie des Jahres 2006 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, die eine weitere Auswertung der Studie aus dem Jahre 2003 ist. Das düstere Bild, das sich von der Bildung von Migrantenkindern schon drei Jahre zuvor abzeichnete, wird von der neuen Studie mehr als bestätigt. So besuchen in Deutschland ca. 15 Prozent der deutschen Kinder eine Hauptschule, bei ausländischen Kindern ist das aber bei rund 40 Prozent der Fall. In manchen Bundesländern beträgt der Anteil von Migrantenkindern ohne Schulabschluss über 20%.

Dass dabei Migrantenkinder zweiter Generation schlechtere Bildungschancen haben als jene, die nicht hier geboren wurden, ist ein Armutszeugnis für das deutsche Bildungssystem. Denn die Entwicklung geht dahin, dass die Migrantenkinder im Laufe der Zeit immer ungebildeter werden - und nicht gebildeter. In den meisten Industriestaaten verläuft die Entwicklung genau umgekehrt: Die Schüler, die in dem jeweiligen Land geboren wurden, haben bessere Bildungschancen als solche, die erst eingewandert sind.

Die Integration von Migrantenkindern darf sich wie bei Erwachsenennicht nur auf das Angebot von Sprach- und Orientierungskursen beschränken, sondern muss auch die psychologische Seite berücksichtigen. Den Migrantinnen und Migranten muss das Gefühl gegeben werden, angekommen zu sein und das Recht zu haben, an der Gestaltung der Gesellschaft gleichberechtigt teilzunehmen. Dieses Gefühl beruht auf der Empfindung von Respekt und Anerkennung. Dem laufen die Verschärfungen der letzten Jahre im Bereich der Aufenthaltserlaubnispflicht für unter 16-Jährige oder der Wegfall der erleichterten Einbürgerung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen entgegen.

Insbesondere der Optionszwang des deutschen Staatsangehörigkeitsrechtes läuft dem Integrationsgedanken zuwider. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erwerben zwar automatisch auch die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil ein Daueraufenthaltsrecht besitzt, sie müssen sich aber mit Volljährigkeit für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. In den kommenden Jahren werden Tausende,ab 2018 Zehntausende von jungen Menschen, die in Deutschlandgeboren, als Deutsche aufgewachsen sind und hier arbeiten, wählen undleben, von Amts wegen aufgefordert, sich für eine ihrer Staatsangehörigkeiten zu entscheiden. Die jungen Menschen empfinden diesen Vorgang nicht nur als Infragestellung ihrer Staatsangehörigkeit, sondern letztlich auch ihrer Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft. Das integrationspolitische Signal ist fatal: Ihr gehört nicht ganz, nicht auf Dauer und nicht so wie andere dazu, ihr seid Deutsche auf Abruf. Deshalb muss die Optionspflicht abgeschafft werden – und das Geburtsortsrecht bleiben.

Stand: 28. April 2010

Dieses Positionspapier ist Teil der bundesweiten Kampagne des Deutschen Kinderhilfswerkes zum Thema
Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland.

 

Fachbeiträge zum Positionspapier
Titel: Gerechtes Aufwachsen durch Intercultural Mainstreaming in der Kinder- und Jugendhilfe
Titel: Deutschland - Land für alle Kinder
Titel: Die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik Deutschland
          unter Förderaspekten des Kinder- und Jugendplans des Bundes

Titel: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund - Zuwanderungsbedingte Nachteile ausgleichen und Chancengleichheit
          zu einheimischen Jugendlichen herstellen

Titel: The importance of the citizenship and ethnical connections for the educational work with (young) immigrants
          in the Federal Republic of Germany

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